Juli 2021 im Keller

Fr 2.7. 10:30 Friederike Mayröcker, 1924 bis 2021. «Lieber Hermes Phettberg (…) Ich trage wie Sie einen Fischgrätmantel, Sie tragen wie ich einen Fischgrätmantel, ich trage wie Sie einen Plastiksack, Sie tragen wie ich einen Plastiksack, ich trage wie Sie lange Haare, die sich am Hinterkopf teilen und vice versa (..) lieber Hermes Phettberg, bitte machen Sie mir nicht alles nach = vielleicht sind Sie mein ready-made.» Hauchfein, hauchdünn, jedenfalls einzigartig war der Humor von Friederike Mayröcker, die am 4. Juni im Alter von 96 Jahren starb. «Die größte Dichterin der deutschen Sprache», stand in den größten Medien der deutschen Sprache. Es ist völlig unmöglich, diesen Verlust zu verkraften, jedenfalls ist das nicht die Intention der Perinetkeller-Crew, die für diesen Erinnerungsabend Menschen eingeladen hat, die in das FM-Magnetfeld gerieten: Unter ihnen Matthias Fallenstein und Linde Waber. Ersterer würdigt in diesem Zusammenhang auch seine Frau Christel, die – bevor sie 2015 starb – seit 1996 täglich ihre Freundschaft mit FM ausleben konnte.

Sa 3.7. Hommage an Rudolf Schwarzkogler. Eine Nachbestattung für den Mutigsten. Treffpunkt Zentralfriedhof, Tor 1, um 14.00 Uhr. Wolfgang Koch (Friedhofs-Guide und publizistischer Begleiter der Avantgardegrößen Hermann Nitsch und Viktor Rogy) spaziert mit den TeilnehmerInnen zu jenem aufgelassenen Grab, in dem einer der «Wiener Aktionisten» seine letzte Ruhe gefunden hat: der melancholische Fotokonzeptionist der Wiener Happening-Szene Rudolf Schwarzkogler (1940-69). Wir erinnern für einen Nachmittag daran, was das Kulturamt der Stadt Wien an diesem Nichtort versäumt hat.

Di 6.7. BRUS DAY 21 – Tag der Kunst im öffentlichen Raum. Schon der Brus Day 2020 war ein gelungener Event der Kunstausübenden Österreichs. Am Abend danach traf man sich zum Abfeiern und Berichten im Perinetkeller. Der heurige Brus Day steht nicht nur unter dem Eindruck der Repressionen und Berufsverbote für die Kunst-Szene anlässlich der Covid 19-Pandemie, sondern auch der gleichzeitig geschürten Ausspielung der Kunstschaffenden gegeneinander. An jedem 6. Juli sind Künstler und Künstlerinnen jedes Genres zur Mitwirkung eingeladen. Zur Wahl des Datums: am 6. Juli 1965 absolvierte der Aktivist Günter Brus seinen «Stadtspaziergang», der mit seiner Festnahme endete. Info: brus.day@chello.at, F: 01 954 13 09, M: 0664 466 17 25 (Félix).

Fr 9.7. 19:30 Joe Berger im Club 2. Wo sind die guten Sitten hin? Damals, als der ORF seinen Öffentlichkeitsauftrag ernst nahm und in unzensurierter Echtzeit nächtens einen Club 2 über die Bildschirme flimmern ließ, wurde noch ohne Redezeitbeschränkung diskutiert. Manchmal erhitzte er die Gemüter der Stadt. Der legendäre Club mit Nina Hagen war einer davon, die Debatte zum Thema «gute Sitten» mit der klirrendsten und brausendsten Verkörperung des Wiener Undergrounds, Joe Berger, ein anderer. Im Perinetkeller die ganze Länge! Prädikat: sehenswert!!!

So 11.7. 11:00 Zu gut für diese miserablen Filme – Joe Berger-Filmmatinee im Perinetkeller! H.C. Artmann hat sich einmal launisch in der «schule für dichtung» über Joe Berger geäußert: «… ein hervorragender Schauspieler, in diesen schlechten österreichischen Filmen war er immer der einzige, der halbwegs natürlich gewirkt hat. Die Intensität und Eindringlichkeit, mit der Joe Berger seine Rollen verkörpert hat, bleiben unvergesslich. Polternde Revolte, Irritation und eine zärtliche Umarmung.» Beide Joe Berger-Hommagen mit Unterstützung von Elisabeth Streit, Österreichisches Filmmuseum.

Fr 16.7. 19:30 Buchpräsentation «Die Nase» von Bruno Jasieński. Mit Traude und Rudi Lehner (vom Theaterkollektiv des Augustin), Elisabeth Namdar (Übersetzerin) und Roxanne Szankovich (Violine). Mit der 1936 veröffentlichten Novelle «Die Nase» legt der frühere Futurist Bruno Jasieński eine aberwitzig-groteske Parodie auf die Nürnberger Rassengesetze von 1935 vor. Wer Ohren hatte zu hören, der konnte zu dieser Zeit schon alles hören und lesen, was Europa erwartete. Dem Wiener Verlag BAHOE BOOKS ist zu danken, dass diese Satire in diesem Land nicht in Vergessenheit geriet.