Die KünstlerInnen machen wieder blau

Ein IODE-Statement zu(m) Zweigelt / Pressekonferenz 13. 2. 2019

Thomas Leitner, Winzer aus Langenlois und Ururenkel von Dr. Fritz Zweigelt, drückt aus, was sicherlich die meisten österreichischen Weinbauern denken: «Aus wirtschaftlicher Sicht wäre die Umbenennung des Zweigelt eine Katastrophe. In ganz Nordamerika, Japan und in Europa sowieso, überall trinken die Menschen gerne Zweigelt. Wenn dann eine Bestellung eines Kunden kommt und wir sagen, es gibt keinen Zweigelt mehr – das würde uns zehn bis 15 Jahre zurückwerfen.»

Der Adressat dieser Kritik ist das Institut ohne direkte Eigenschaften, IODE. Ich bin Mitbegründer und kann etwas zu unserer Intention sagen: Warum schlagen wir vor, den Zweigelt in «Blauer Montag» umzubenennen? Unter anderem gerade deshalb, weil nicht die Umbenennung, sondern eine sture Beibehaltung des Etiketts Zweigelt eine Katastrophe heraufbeschwören würde. Der Zorn der Zweigelt-Nachfahren müsste sich freilich gegen die offizielle WeinMarketing-Gesellschaft richten, gegen die ÖWM, deren Geschäftsführer Willi Klinger sich der Problematik dieser Weinrebsorten-Bezeichnung voll bewusst ist.

Allerdings ist nicht der Blaue Montag der von Klinger favorisierte Titel, sondern die ehemalige Sortenbezeichnung Rotburger. Für uns ist jeder alternative Name ein Erfolg. Man sollte doch nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als könne man den Deutschen, die die Hauptabnehmer dieser Rotweinsorte sind, für ewige Zeiten suggerieren, beim Begriff Zweigelt handle es sich um eine mundartliche Ableitung von Zweig! Die Pro-Zweigelt-Phalanx ignoriert 2 Fakten, die für die Nachfrage nach Zweigelt in Deutschland bestimmend sein können: erstens eine hohe Sensibilität, was den Umgang mit Antisemitismus betrifft, zweitens eine starke Rolle der kritischen Konsumentenorganisationen.

Eine Geschichte des österreichischen Weinbaus, die auf Initiative des Weinmarketing-Geschäftsführers im Herbst herauskommen soll, wird ein Kapitel über den Klosterneuburger Nazi-Weinpapst Zweigelt beinhalten. Das wird ähnliche internationale Aufmerksamkeit erregen wie das Buch von Robert Streibel über die Arisierung der Sandgrube in Krems oder unser Blauer Montag-Projekt. Wir haben für unsere Initiative den richtigen Zeitpunkt erwischt. Österreich ist unter internationaler Beobachtung, seit rechtsradikale Burschenschaftler den Staat übernommen haben.

Auffallend ist, dass der Name Zweigelt zu einem Code geworden ist, der zur Sammlung der Ewiggestrigen beiträgt. Das erkennen wir aus der Fülle der Hass-Postings; auch dem Herrenbaumgartner Winzer Friedl Umschaid, der unsere Kampagne von Anfang an unterstützte, wehte zunächst ein scharfer Dorfwind entgegen. Die Idee Blauer Montag gilt unter konservativen Gemütern so ungeheuerlich, als würde der Gemeinderat dekretieren, alle Herrgottswinkel durch rote Sterne zu ersetzen, alle Kukuruzfelder in Hanffelder umzuwandeln oder das Blunzngrestl in die Liste der verbotenen Drogen aufzunehmen.

Eigentlich war der Begriff Blauer Montag zunächst nur schelmisch gemeint, als kleine Provokation zum Diskussionsanstoß. Inzwischen hat diese Idee eine Eigendynamik ausgelöst; sie «zwingt» uns, weiter zu machen und mitzuhelfen, dass eine Verbreitungsstruktur geschaffen wird.

Ich möchte zum Schluss anmerken, dass es uns, dem Institut ohne direkten Eigenschaften, nicht nur darum geht, einen guten Wein von seinem unguten Etikett zu befreien. Sondern um ein soziokulturelles Experiment, wie man mithilfe der Kunst zu erfolgreichen politischen Interventionen kommt, die das Versagen der herkömmlichen Interessensvertretungen kompensieren. Kein Wunder, dass die politische Rechte die KünstlerInnen kriminalisieren möchte, die in die Aktion involviert sind. Die FP spricht vom «Kinderschänderkeller», sie meint das ehemalige Kelleratelier der Wiener Aktionisten in der Perinetgasse, das heute vom Institut ohne direkte Eigenschaften betrieben wird. Die Rechten spüren, dass ihnen von einer Verschränkung der sozialen und der künstlerischen Bewegungen eine Gefahr erwächst.

Diese Verschränkung ist bei uns institutionell. Daniel Böswirth, Schriftsteller und Grafiker, hat das Etikett entwickelt und eine Art Manifest verfasst, das hier aufliegt. Otto Lechner, Österreichs genialster Akkordeonist, wird die Patenschaft über den Blauen Montag übernehmen. Unser Verbündeter Nicki Kohlberger hat sich eine Synthese vom Vinothek und Galerie einfallen lassen. Die «Europa zweigelt»- Aktion des Pen-Clubs ist der aktuellste und großartigste Beitrag der Kunst zum Umgang mit unaufgearbeiteter Geschichte.

Was die Synthese Kunst-Wein-Widerstand betrifft, gibt es eine Parallele. In den 70er und 80er Jahren erlagen Wiener Künstler und Intellektuelle dem Charme der ärmsten Region Österreichs, dem südlichen Burgenland. Sie revitalisierten verfallene Dörfer und lernten Einheimische kennen, die zum großen Teil still erduldeten, dass die Behörden sie ihre Weinfässer ausschütten ließen. Sie enthielten Uhudlerweine. Nicht die traditionellen Interessensvertretungen, sondern die KünstlerInnen aus der Hauptstadt stellten diese Kriminalisierung einer Weinsorte in Frage. Diese Kriminalisierung ging auf die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück – es war übrigens eine Initiative des rabiaten Uhudlergegners Zweigelt.

Besonders für die Rettung des Uhudlers engagierte sich der Direktor des Museums des 20. Jahrhunderts in Wien, Alfred Schmeller. Diesem Intellektuellen hat Südburgenland auch zu verdanken, dass das Weinkellerviertel Heiligenbrunn, heute Zentrum der Uhudler-Region, nicht dem Verfall preisgegeben wurde. Wenigstens die rund 150 Uhudler-Winzer sind auf den Namen Zweigelt nicht gut zu sprechen.

Zurück zum Aktuellen. Der Weinbauer Friedl Umschaid ist deshalb ein Kämpfer für den Blauen Montag geworden, weil sein Hof eh schon zur Drehscheibe wahnsinniger Kunstprojekte geworden ist, sodass sich die gesamte Gemeinde heute als «verrücktes Dorf» vermarktet. Es möge ein Wettbewerb entstehen: Wir vom Institut ohne direkte Eigenschaften wollen den Beweis erbringen, dass das Verrückteste allemal von unserem Keller ausgeht.

Text: Robert Sommer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.