ABGEZWEIGELT!

«BLAUER MONTAG» –
WARUM EIN NEUER ROTWEIN-SORTENNAME?

Unser Perinetkeller ist bekanntlich kein Weinkeller. Aber das Kellerteam – offizieller Name: Institut ohne direkte Eigenschaften – mischt sich ungehalten in weinpolitische Angelegenheiten ein. In vino veritas, sagen die österreichischen Weinbauern. Sie wissen gar nicht, wie recht sie haben. Dass die Rebsorte Zweigelt, hinter dem Grünen Veltliner auf Platz 2 der populärsten Reben Österreichs, immer noch Zweigelt heißt, drückt eine traurige Wahrheit aus: Die österr. Weinwirtschaft schweigt wie kein anderer Wirtschaftszweig, der in das nationalsozialistische Terrorsystem verstrickt war. Wer weiß, wie Fritz Zweigelt, glühender Nazi und NSDAP-Mitglied seit dem April 1933, von Klosterneuburg aus agierte, dem sollte eigentlich der Schluck Zweigelt in der Kehle zu Essig werden.Blauer Montag

Der renommierte österreichische Historiker Roman Sandgruber schrieb: Der Unverbesserlichkeit maßgeblicher politischer Entscheidungsträger sei es geschuldet, «dass Österreichs prominenteste Rotweinsorte im Jahre 1975 im Zuge der Qualitätsweinrebsorten-Verordnung in Zweigelt umbenannt wurde und damit nach einem prominenten, wenig gewandelten Nationalsozialisten benannt ist und dass seit 2002 mit höchster politischer Beihilfe jährlich auch ein Dr. Fritz Zweigelt-Preis mit einer entsprechenden Porträt-Medaille verliehen wird.»

Die Tat, die seinen Ruhm als österreichischen Weinpapst der Zwischenkriegszeit begründete, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen: 1922 gelang ihm eine zukunftsreiche Kreuzung der Sorten St. Laurent und Blaufränkisch. Zweigelt selbst nannte seine Erfolgszüchtung Rotburger. Die Marke Zweigelt ist aber inzwischen so gut eingeführt, dass die ökonomische Logik vor allem die ums Überleben kämpfenden kleinen Rotweinbauern dazu verleitet, nicht an der Sortenbezeichnung zu rütteln. Die renommierten Weingüter und der Komplex Weinproduktion-Weinhandel-Gastronomie müssten also mit gutem Beispiel vorangehen.

Früher oder später wird eine alternative Konsumentenkultur ohnehin alles über Herrn Zweigelt wissen. Man wird über seine verbrecherischen Aktivitäten in der Aufdeckung der Widerstandsgruppe rund um den Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz Bescheid wissen. Als Direktor der Weinbauschule Klosterneuburg während der Nazizeit lieferte Zweigelt seinen Schüler Josef Bauer, der Mitglied dieser Widerstandsgruppe *) war, der Gestapo aus, wie Roman Sandgruber ausführte. Als Österreich 1938 ausgelöscht wurde, ging dem Weinpapst das Herz über. O-Ton Zweigelt: «Der böse Traum wurde fortgescheucht von den dröhnenden Schritten deutscher Soldaten. Jüdischem Spekulationsgeist ist für alle Zeiten der Boden entzogen.» Nach der Befreiung wurde Zweigelt wegen Volksverhetzung eingesperrt, aber schon nach sechs Monaten in die Freiheit entlassen. Er hätte elf Jahre länger leben müssen, um die von seinem Schüler Lenz Moser initiierte Würdigung seines ramponierten Namens genießen zu können.

Die nachhaltigste Wirkung erzielte Zweigelt, indem er jene Winzer kriminalisierte, die sich auf die Produktion der Uhudler-Sorten spezialisierten. Er hatte herausfinden lassen, dass der Uhudler hysterisch mache und die Gebärfähigeit der Frau gefährde. So abstrus diese Befunde waren, sie wirken bis in die 90er Jahre, zum Teil bis heute noch. Erst 1995 wurde das Verbot des Uhudlers aufgehoben, und Zweigelts rabiates Uhudler-Bashing garantiert heute zumindest Lachanfälle: Menschen, die regelmäßig Uhudler trinken, schrieb Zweigelt, «bekommen eine fahle Gesichtsfarbe, zittern am ganzen Körper und siechen dahin, während Bauern mit veredelten Weingärten kinderreiche Familien haben, gesund und arbeitsam sind.»

Das Institut ohne direkte Eigenschaften (IODE), das seit über zwei Jahren den ehemaligen Muehl-Keller betreibt, schlägt den Weingütern, den kleinen Winzern, dem Weinhandel und der verantwortungsbewussten Gastronomie vor, den Zweigelt unter der Sortenbezeichnung BLAUER MONTAG in improvisierten Verkehr zu bringen und die KonsumentInnen über den Sinn dieser Umbenennung aufzuklären. Der blaue Montag steht für das Recht auf ausreichend Muße-Zeit zu Beginn der Woche nach einem Wochenende des Weingenusses unter Freundinnen und Freunden. Aus nationalsozialistischer Sicht verkörpert der blaue Montag ein «unarisches» Lebensgefühl und die Negation der faschistischen «Arbeit macht frei»-Ideologie.

Das Institut ohne direkte Eigenschaften befindet sich mit seiner Zweigelt-Schweigelt-Aktion in bester Gesellschaft. Viele der vergangenen Versuche, die österreichische Weinwirtschaft zu entzweigeln, waren an der Schnittstelle von künstlerischer und politischer Intervention angesiedelt. WinzerInnen, die die Ironie und den Humor der InitiatorInnen teilen, entsteht keinerlei Risiko. Als künstlerisches Projekt steht die Aktion ABGEZWEIGELT unter dem Schutz des Verfassungsgebotes der Freiheit der Kunst. Die Kunst darf alles – sie darf sogar die Bestimmungen der Qualitätsweinrebsorten-Verordnung ignorieren. Auch darf sie das Spiel mit Sprache und Wörtern zu einer subversiven Handlung machen. Hat ein Engagierter übrigens je den Terminus Braunfränkischer als Sammelbezeichnung für sämtliche deutsche und österreichische Weine (bzw. deren Produzenten) erfunden, die unter der Unrechtverhältnissen des Dritten Reichs Karriere gemacht haben?

Gerald Teufel zeichnete in seiner TV-Dokumentation «Zweigelt – Wein und Wahrheit» (2011) die Geschichte des rechtsextremen Oenologen nach, der sich immer weiter in den Nationalsozialismus verstrickte, bis er schließlich der Leiter der von den Nazis enteigneten Güter des Stifts Klosterneuburg wurde. Wie Zweigelt versuchte, die Weinbauschule als «Bollwerk des Nationalsozialismus» aufzubauen, ist ein Thema dieses Films. Der Kremser Maler Christian Gmeiner initiierte 2009 im Rahmen des internationalen WeinART-Symposiums das «Zweigelt-Projekt» in Poysdorf, für das er Menschen, die in die Weinwirtschaft verstrickt sind, nach ihrer Meinung über Dr. Zweigelt befragt wurden. Die ausgestellten Resultate der Befragungsaktion zeigten zum Teil eine erschütternde Bereitschaft zum Vergessen und Verdrängen.

Klosterneuburg zu einem «Bollwerk des Nationalsozialismus» zu gestalten, muss nicht sehr mühsam gewesen sein. Die niederösterreichische Weinproduktion war in großem Ausmaß arisiert – wobei diese Arisierung noch nie Thema der Forschung war. Interessierte ZeitgenossInnen mussten auf den dokumentarischen Roman von Bernhard Herrman und Robert Streibel (Der Wein des Vergessens, 2018) warten, um über die terroristische Enteignung der Riede Sandgrube aufgeklärt zu werden, eines der berühmtesten Weingüter der Wachau, das zur Grundlage der Winzergenossenschaft Krems wurde, die keine Minute an Wiedergutmachung dachte. In die Reihe der künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem «braunen» Wein ist auch der Roman des österreichischen Schriftstellers Erwin Riess, «Herr Groll und das Ende der Wachau» einzuordnen.

Text: Robert Sommer, Oktober 2018

Termine, mit Vorbehalt:
Mo 10. 12. Pressekonferenz ABGEZWEIGELT. Beginn 10:00
Di 18. 12. Gerald Teufels Film «Zweigelt – Wein und Wahrheit»; Anschl. Filmgespräch mit dem Regisseur. Beginn 19:30
Do 20.12. Konstanze Breitebner, Uhudlertheater. Blauer Montag-und Uhudlerverkostung. Beginn 19:30
Alles im Perinetkeller, 1200, Perinetgasse 1 www.perinetkeller.at

*) Die Widerstandsgruppe um Roman Scholz streute Flugblätter dieses Inhalts in Klosterneuburg:
WIR BRAUCHEN KEINEN KRIEG
WIR BRAUCHEN KEINEN SIEG
NUR A SCHÖNE HITLER-LEICH`
UND EIN FREIES ÖSTERREICH

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.