3 JAHRE INSTITUT OHNE DIREKTE EIGENSCHAFTEN – 3 JAHRE PERINETKELLER NEU

Das Geburtstagsfest

Wer die Blechtür zum Keller des Hauses Perinetgasse 1 im 20. Bezirk aufmacht, was nur mit Anstrengung gelingt, wird enttäuscht sein von der Bescheidenheit des Raums, der doch in Kunstkreisen zwischen Scheibbs und Nebraska als Kultort der radikalsten künstlerischen Avantgarde Europas nach dem 2. Weltkrieg, der Wiener Aktionisten, bekannt ist. Im Perinet-Keller, von Otto Muehl 1962 angemietet und in selbstironischer Blasiertheit zum «Institut für direkte Kunst» erhoben, fanden viele Material- und Körperaktionen statt. Die so genannte Blutorgel-Aktion mit der symbolischen Vermauerung des Eingangs ist die bekannteste. Die Größen der österreichischen Film-Avantgarde, vor allem Kurt Krenn und Ernst Schmidt, haben im Keller gedreht. Ihre Filme sind aber nicht bloß Dokumentationen, sondern Kunstwerke von eigenständigem Wert.

Was die Aktionisten hinterlassen haben, sind Spekulationsobjekte geworden. Der Crew, die vor drei Jahren begonnen hat, den legendären Keller wieder mit Leben zu füllen, hat keineswegs vor, Muehl, Nitsch und Co. zu fetischieren. Zu viele ihrer Werke hängen in Bankdirektorenzimmern und an anderen Wänden der Macht. Die Provokation hat ihre aufrüttelnde Funktion verloren und ist zur Ware geworden.

Die Rechten innerhalb und außerhalb der aktuellen Regierung verschärfen dennoch ihren Kampf gegen die Avantgarde, weil ihnen der grundsätzlich widerständige Aspekt von Kunst nicht geheuer ist. Kunst muss unpolitisch bleiben, fordern sie, und der Perinetkeller wird – weil er diese Forderung zurückweist – ein Objekt des Ärgenisses. FPÖ-nahe soziale Medien warnen ihr Klintel vor dem «Kinderschänderkeller», in dem das massenweise «Verschütten von Menschenblut» zum guten Ton gehört habe. Diese Kriminalisierungs-Kampagne zielt auf das Prinzip der Freiheit der Kunst. In der Verteidigung dieses Prinzips überschneiden sich die Intention der alten und der neuen Kellernutzer.

Gänzlich ohne Subventionen, aber auch ohne nennenswerte private Spenden hat der Betreiber des Kellers – das Institut ohne direkte Éigenschaften (IODE) ¬– in ehrenamtlicher Arbeit für einen Veranstatungsreigen gesorgt, der Freund und Feind ins Staunen brachte: die Statistik redet von fast 300 Veranstaltungen seit der Gründung. Das intensive Geburtstagsprogramm ist ein Geschenk der IODE an die BesucherInnen des Perinetkellers – und eine Gelegenheit für neue InteressentInnen, einen unvergleichlichen Freiraum kennenzulernen, dessen WC 70 Meter entfernt liegt, während die Distanz zwischen KünstlerInnen und Publikum oft weniger als 70 Zentimeter beträgt.

Das Programm:
Tag 1:
Mi 19. 6. 19:30
«Irgendwas gibts immer». Martha Labils performative Interventionen mit x-beliebigen Objekten, die von den ZuschauerInnen mitgebracht werden. Die Künstlerin weiß bis vor Beginn der Aufführung nicht, mit welchen Gegenständen sie es zu tun haben wird. Ihre Auseinandersetzung mit den auf der Bühne versammelten Dingen ist oft schonungslos und radikal. Vielleicht sieht es manchmal so aus, als würde sie ihr eigenes Leben in Gefahr bringen. Doch das ist Teil der Show. Vorprogramm: H. Peter Friedl liest Robert Sommer, musikalische Begleitung von Thomas Berghammer. Robert Sommers Monstertext «Sämtliche Erinnerungen, leicht gekürzt» ist ein work in process, im Schreibrausch verfasst und bar jeder Aussicht, am Markt anzukommen.

Tag 2:
Fr 21. 6. 19:30
Keine Macht für niemand! Mario (Lang: Stimme), Michael (Bruckner: Gitarre), Rainer (Krispel: Stimme), Vincenz (Wizlsperger: Kontrabass) und Walther (Soyka: Akkordeon) finden sich, solange bis sie als Musikerkollektiv nach Rio De Janeiro eingeladen werden, sporadisch als DIE RIO-REISER zusammen, um Lieder von RIO REISER und TON STEINE SCHERBEN zu spielen und singen. Zuletzt im Juni 2018 mit Deputy Rio-Reiser Alex Miksch beim zweiten Geburtstagsfest des Perinetkellers. Vorprogramm: «An die Liebe», eine Performance von Frantschesko und Harlekin.

Tag 3:
Sa 22. 6. 19:30
«Wo ich wohne» – eine Ilse Aichinger-Reise in die Untiefe, mit der Schauspielerin Anne Bennent und dem Akkordeonisten Otto Lechner. «Ich wohne seit gestern einen Stock tiefer. Ich will es nicht laut sagen, aber ich wohne tiefer. Ich will es deshalb nicht laut sagen, weil ich nicht umgezogen bin.» Vorprogramm: «Cinema Surreal», Kurzfilmleckerbissen von Doris Kittler und ein ahnungslosser Heinz Conrads, der sich auf das Gespräch mit dem sowjetischen Kosmonauten Gagarin nicht vorbereitet hatte und von einem Fettnapf in den anderen ¬– nein, nicht trat, sondern stürzte.