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Kalenderpräsentation: Kennen Sie Austro-Anarchistinnen?
20. Dezember 2016 @ 19:30
2017 kann kommen – mit dem Kalender der freiesten Frauen
Kalenderpräsentation mit Reinhard Müller, Maren Rahmann (Songs) und der Literaturband(e) «Sole Noir»
Über einen unglaublichen Kalender für das Jahr 2017 ist zu berichten. Zunächst einmal eine Testfrage an unsere Leser_innen: Nennen Sie auf Anhieb zwölf österreichische Politikerinnen, die neben den Männern wie Adler, Bauer, Schärf und Co. die weibliche Seite der Sozialdemokratie repräsentierten. Das wird den meisten wohl schwer fallen. Eine zweite Testfrage: Nennen Sie Männer, die sich um eine anarchistische Bewegung in Österreich verdient gemacht haben. Vielleicht fällt dem einen oder der anderen der Name Pierre Ramus ein, zu dessen Würdigung eine Pierre Ramus-Gesellschaft gegründet wurde. Wenn der Staat wirklich boshaft wäre und garantiertes Scheitern in den Test zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft einbetten wollte, müsste er aber die Frage stellen: Nennen Sie uns bitte österreichische Anarchistinnen; es müssen nicht mehr als zwölf sein!
Die Anarchistische Bibliothek in Wien hat mithilfe des Grazer Soziologen und Historikers Reinhard Müller zwölf österreichische Frauen porträtiert, die eine politische, moralische und organisatorische Rolle im anarchistisch geprägten Widerstand gegen den Faschismus spielten, die auch in den Narrationen des Widerstands keine Erwähnung fanden. Die Resistance wird als bürgerliche, linkskatholische, sozialistische oder kommunistischen Angelegenheit erinnert, nicht aber als anarchistische.
Reinhard Müller fiel es nicht schwer, den zwölf Monatsblättern ebenso viele Revolutionärinnen zuzuordnen. Da wäre Wilma Ritschel zu nennen, die Schrebergärtnerin aus Favoriten, die Mitte der Zwanziger Jahre die anarchistische Wiener Gruppe «Contra» mitbegründete und Herausgeberin der gleichnamigen Zeitschrift war, die in den Jahren 1930 und 1931 erschien. Oder Maria Schwarzbeck, die in Graz zu den Betreiber_innen von Geheimkliniken gehörte, in denen Männersterilisationen zurückoperiert wurden. Oder Etta Federn, die in der Wiener Rotenturmstraße geborene Intellektuelle, die 1936 die einzige Nichtspanierin im Führungskollektiv der in Barcelona gegründeten feministisch-anarchistischen «Vereinigung freier Frauen» war. Oder Mitzi Zahrastnik, eine Aktivistin der Grazer Zwischenkriegszeit-Anarcho-Gruppe «Licht» und der bis 1997 erscheinenden Grazer Zeitung «Befreiung».
Organisierte Anarchist_innen sind oft zurückhaltend, was die Hervorhebung einzelner Personen aus einem Kollektiv betrifft, auch wenn diese Personen Ungewöhnliches leisten; das mag eine noble Geste zur Schau gestellter Hierarchielosigkeit zu sein, aber die Arbeit Reinhard Müllers nicht zu würdigen, geht auch nicht, Genoss_innen!
Robert Sommer
Bestellungen: mehrplatz@a-bibliothek.org