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Helmut Dahmers Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1968
13. März 2020 @ 19:30
Das Jahr 1968 war eines jener Jahre, in dem sich die Geschichte gleichsam verdichtete. Der Autor lebte damals in Frankfurt am Main, einem der Zentren der antiautoritären Studenten- und Schüler-Protestbewegung, und war Tutor im Walter-Kolb-Studentenhaus, das in der Nachbarschaft des Instituts für Sozialforschung und der Goethe-Universität liegt. Dies Studentenhaus war damals eine Hochburg des „Sozialistischen Studentenbunds“ (SDS), der Anfang der sechziger Jahre von der Sozialdemokratischen Partei unabhängig geworden war, zur internationalen „Neuen Linken“ gehörte und die „Außerparlamentarische Opposition“ inspirierte und organisierte. Dahmer studierte u.a. bei Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas.
Dahmer schloss sein Soziologiestudium 1967/68 ab, arbeitete anschließend als Assistent an der Technischen Hochschule Darmstadt und übernahm im Herbst des Jahres die Redaktion der (von Alexander Mitscherlich herausgegebenen) psychoanalytischen Monatszeitschrift Psyche. Er gibt eine auf 10 Bände berechnete Ausgabe von Schriften Trotzkis heraus. Gegenwärtig lebt er als freier Publizist in Wien.
Seine Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1968 umfassen 100 Blatt. Einige von besonderem Interesse wurden für den Abend im Perinetkeller ausgewählt und werden jeweils kurz kommentiert. Den Abschluss bildet eine Charakteristik der 68er Bewegung.
Dahmer stellt sie zur Debatte – an einem Ort, der wie geschaffen erscheint, die Fragestellungen dieser «Revolution» (?) zu beurteilen; bekanntlich grassiert in Wien der defaitistische Mythos, der Beitrag Wiens am der globalen 1968er-Erschütterung reduziere sich auf die »Sensationen» der aus dem Perinetkeller heraus ans Tageslicht getretenen Happenigsszene. Ihre politische Relevanz ist freilich umstritten. Ein bezeichnendes Detail dazu: Hermann Nitsch, einer der Väter des Perinetkellers, befand sich im April 1968 in den USA. Der Filmemacher Jonas Mekas, der ihn eingeladen hatte, bat den Wiener Aktionskünstler, eine öffentliche Geste der Empörung gegen die Ermordung Martin Luther Kings zu setzen, die unmittelbar vor einem Auftritt des Aktionisten in Cincinnati die ganze Welt erschütterte. Für mich wäre es ganz schlecht, soll Nitsch geantwortet haben, «diesen traurigen Vorfall mit meiner Arbeit zu verbinden».