
Gesamtkunstgwerch
28. Juni @ 19:30 - 21:30
Wie politisch kann, darf, soll, muss die Kunst sein? Und ab wann wird’s möglicherweise auch despotisch und totalitär?
Drei Positionen, ein Po-Dium und – die Künstler haben es jedenfalls hoch und heilig versprochen: kein Gesamtkunstwerk! (Denn die sind ja bekanntlich niemals ganz frei von totalitären Tendenzen.)
Stattdessen, bescheidener, ein „Gesamtkunstgwerch“. Was zum Beispiel bedeutet: die Künstler werden sich bemühen, dass im Perinetkeller an dem Abend schon auch noch ein bisschen Platz frei bleibt für mögliche Besucher*Innen …
Die drei Zeitzeugen auf dem Po-Dium sind:
– Alfred Ullrich ist in einer analphabetischen Sinti-Familie in Wien aufgewachsen. Von dem ihm zugedachten Weg in eine Sonderschule schon früh geflüchtet, machte er Bekanntschaft mit der Wiener Bohème und gründete mit Freunden den „Klub Subkultur“. Dort gingen in den 1960-er Jahren die diversen Künstler*Innen ein und aus und er konnte z. B. auch Aufführungen von der „First Vienna Working Motion Group“ beiwohnen. Nach einigen Lehr- und Wanderjahren ist er in einem alten Bauernhaus im Landkreis Dachau gelandet und richtete sich dort seine Kupferdruckwerkstatt ein. Seine Kunst, sagt er, wäre ihm zu Anfang vor allem eine Flucht aus den harten Realitäten gewesen, und spätestens mit seiner relativ zufällig zustande gekommenen Nachbarschaft zur KZ-Gedenkstätte in Dachau aber – einige seiner Familienangehörigen waren dort mehrmals interniert, nur einer überlebte – wurden seine Fotos, Videos, Druckgrafiken dann wieder mehr „politisch“. Zum „Gesamtkunstgwerch“ im Perinetkeller steuert er eine Ausstellung mit Fotos und Druckgrafiken bei, sowie den Kurzfilm „Von Ottakring ins Neuhimmelreich“.
– Martin Stiefel war von klein auf auf Erlösung aus. Ehe, Haus und Auto waren eine Horrorvorstellung für ihn. Da kam ihm im Alter von 22 Jahren die Kunstkommune des Wiener Aktionisten Otto Mühl gerade recht. Die Verwandlung des Selbstbefreiungsversuches in ein hierarchisches Zwangssystem erlebte er dort am eigenen Leib mit. Sein künstlerisches Rüstzeug, sagt er, hat er trotz allem in dieser seiner Zeit in der Mühlkommune mitbekommen und von da aus hat er seine Kunst weiterentwickelt. Zum „Gesamtkunstgwerch“ im Perinetkeller steuert er bewegliche Skulpturen sowie eine kleine Auswahl seiner geistvoll-witzigen Kurzhappenings und Musikperformances bei.
– Victor Halb, Schriftsteller, Videokünstler und Fotograf, verschlug es vor 21 Jahren, er war da als Philosoph auf Reisen unterwegs, nach Wien. Seit ca. 10 Jahren ist er Mitglied im „Institut ohne direkte Eigenschaften (IODE)“, das den Perinetkeller betreibt und wo man sich unablässig fragt, wie die Geschichte des Wiener Aktionismus zu aktualisieren wäre, bzw. ob das auch Spaß macht und ob das überhaupt einen Sinn hat. Zum „Gesamtkunstgwerch“ im Perinetkeller steuert er Videoschnippsel, Lyrikspenden und die musikalische Untermalung bei.
Manchmal, wenn Martin Stiefel musiziert, kommt für den einen Zuschauer oder die andere Zuschauerin auch ein Espresso dabei raus …